Kundgebung am 29.10.2020 um 17.30 Uhr vor dem Bürgeramt Tübingen

Wir fordern, dass das Tübinger Bürgeramt wieder uneingeschränkt für alle in unserer
Stadt lebenden Menschen zu den vormaligen Öffnungszeiten und auch ohne
Voranmeldung erreichbar und zugänglich ist!


Ende Juli 2020 kündigte die Stadt Tübingen an, den seit März als Reaktion auf die Corona-Pandemie eingeführten „Terminzwang“ im Bürgeramt dauerhaft beizubehalten. „Laufkundschaft“ soll es dort nach dem Willen der Stadtverwaltung zukünftig überhaupt nicht mehr geben.


Wir halten das Vorhaben der Stadtverwaltung, generell keine offenen Besuchszeiten für städtische Ämter und Behörden mehr anzubieten, für grundsätzlich falsch! Dies führt dauerhaft zu einer strukturellen Benachteiligung für eine erhebliche Anzahl von Menschen in unserer Stadtgesellschaft! Betroffen sind z.B. ältere Mitbürgerinnen, Alleinerziehende, prekär Beschäftigte, Geflüchtete, (funktionale) AnalphabetInnen, körperlich, sprachlich oder geistig eingeschränkte Menschen und Angehörige weiterer, teils ohnehin schon marginalisierter Bevölkerungsgruppen. Ein ausschließlich auf telefonischem oder elektronischem Weg möglicher Zugang zu den Bürgerdiensten und die Unmöglichkeit, städtische Dienstleistungen schon beim Erstkontakt persönlich und zu einem selbst bestimmten Zeitpunkt ohne Voranmeldung in Anspruch nehmen zu können, stellte und stellt für viele der Betroffenen eine – oftmals zu hohe – Hürde dar. Selbst für simpelste Behördengänge, die zuvor selbstständig bewältigt werden konnten, benötigen viele Betroffene nun zusätzliche Unterstützung und werden so langfristig in neue oder erweiterte Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt. Manche von ihnen laufen auch Gefahr, ganz durchs Raster zu fallen – mit mitunter gravierenden Konsequenzen, wenn zwingende oder fristgerechte Besuche „auf dem Amt“ bereits im Vorfeld an der Terminvereinbarung scheitern. Ein unmittelbarer Zugang zu städtischen Dienstleistungen und Behörden ist ein notwendiges Anrecht aller Tübingerinnen!

Auch in der gegenwärtigen Ausnahmesituation muss dies, wie von anderen Stadtverwaltungen in der Region bereits praktiziert, auch in Tübingen wieder möglich sein. Den Preis für diese nun von der Stadtverwaltung angepriesene, vermeintliche „Effizienzsteigerung“ bezahlen übrigens nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen von sozialen Einrichtungen und Initiativen in Tübingen. Der Zwang zur vorherigen Beantragung von Terminen im Bürgeramt führt bereits jetzt zu einem teils erheblichen Mehraufwand bei der Unterstützung ihrer Klientinnen. Dies darf nicht zu einer dauerhaften Belastung für soziale Arbeit und soziales Engagement in unserer Stadt werden!


Auch eine Stadtverwaltung die „mit der Zeit gehen“ will, muss für alle Menschen in ihrem Zuständigkeitsbereich, unabhängig von deren digitalen und kommunikatorischen Kompetenzen, auch niederschwellig zugänglich bleiben und darf auf diesem Weg niemanden zurücklassen!

Aufruf: Barrierefrei statt bürger*innen-fern!